Von der weiten Steppenlandschaft über die Viertausender in den Rocky Mountains bis zur Halbwüste aus rotem Sandstein: Eine Woche lang haben wir Colorado im Herzen des amerikanischen Westens erkundet und dabei erfahren, wieso man in der Wildnis eine Badewanne finden kann, warum es auf fast 4.000 Metern einmal eine Bowlingbahn gab und was die Hauptstadt Denver mit München gemein hat.
Wäre es bei unserem Anflug auf Denver am Abend zuvor nicht schon dunkel gewesen – wir hätten unser erstes Ziel schon vom Flugzeug aus genau erkannt. Rund 45 Kilometer nordwestlich von der Hauptstadt Denver ragen die Flatirons in die Höhe. Direkt zu deren Füßen liegt die knapp 100.000 Einwohner große Stadt Boulder, in der wir die erste Nacht verbringen. Die Felsformationen ist aus der Ferne so unverkennbar, weil die Berge mit ihrer glatten Kante wie eine Reihe aufgestellter Bügeleisen aussehen. Das fanden zumindest die Siedler-Frauen und benannten sie kurzerhand nach dem Haushaltsgerät. Bewundern können wir sie bei Helligkeit erst am nächsten Morgen, als wir beim Colorado Chautauqua im Westen der Stadt auf unsere erste Wanderung starten. Das Chautauqua geht auf eine gleichnamige Bewegung zurück, die sich ab Ende des 19. Jahrhunderts für lebenslanges Lernen einsetzte und hier in Boulder 1898 eine Zeltstadt für Sommercamps errichtete. Am Rande der Stadt gelegen ist das Chautauqua heute eine Ansammlung von 99 Cottages sowie einer Dining Hall und einem Auditorium, in dem zahlreiche Veranstaltungen stattfinden.
Von hier können wir nicht nur die Flatirons bestaunen, sondern erleben zugleich die Vielfalt Colorados. Während wir gen Osten über die riesige Steppenlandschaft der Great Plains blicken, erhebt sich im Westen majestätisch das Gebirge der Rocky Mountains. Ganze 50 Viertausender zählt Colorado! Dass Colorado damit auch der höchstgelegene Staat der USA ist, macht sich bei uns zuerst an leichten Kopfschmerzen bemerkbar, die sich aber mit genügend Flüssigkeit schnell legen. Ist es am Morgen noch etwas nebelig und kühl, wärmen uns bald die ersten Sonnenstrahlen. Alles andere wäre auch eher ungewöhnlich, denn Boulder kommt im Jahr auf rund 300 Sonnentage – und übertrumpft damit sogar Miami!
Da das Gelände beim Colorado Chautauqua etwas erhöht liegt, haben wir von hier auch einen guten Überblick auf Boulder. Wir sehen, dass rund um die Stadt eine große Fläche unbebaut ist. Unser Guide Steve Metz, der für Boulder Open Space and Mountain Parks arbeitet, klärt uns auf: Boulder sei die erste Stadt in den USA, die mit Steuergeldern Land gekauft habe, damit dieses unbebaut bleibe. Dreimal so groß wie die Stadt ist diese Fläche! Das senkt zwar nicht unbedingt die Mietpreise, dem Wohlfühlfaktor hat es aber eindeutig nicht geschadet. Nicht nur damit ist Boulder Vorreiter: 2007 führte sie als erste Stadt eine CO2-Steuer ein. „Weltverbesserer“ nennt Steve die „Boulderites“ deswegen auch. In Statistiken macht sich diese Einstellung positiv bemerkbar. Boulder gilt als eine der glücklichsten und gesündesten Städte der USA. Schließlich lädt die Natur auch zur Bewegung ein. Und so wundert sich in Boulder niemand, wenn ein Geschäft die Parkplätze vor der eigenen Haustür statt für Autos für Fahrräder ausweist. Um die Welt zu einem schönen Ort zu machen, darf aber auch der Genuss nicht zu kurz kommen. Boulder wurde schon zur „foodiest town in the US“ gekürt. Neben den hoch gelobten Restaurants geben zahlreiche Mikrobrauereien dem Bier ihre eigene Note. In der West Flanders Brewery und im Mountain Sun Pub & Brewery dürfen wir auch selbst kosten und sind positiv überrascht: Hier ist das amerikanische Bier eindeutig besser als sein Ruf. Nachdem wir noch über die Pearl Street im Herzen von Boulder geschlendert sind, brechen wir auf.
Weitere Teile unsere Trips durch Colorado:
Teil 1 - Boulder: Zwischen Hochgebirge und Steppenlandschaft
Teil 2 - Aspen: Umgeben von Viertausendern
Teil 3 - Crested Butte: Kulinarisches Colorado
Teil 4 - Telluride: Reise in die Vergangenheit
Teil 5 - Gateway: Der rote Sandstein
Teil 6 - Grand Junction: Eine Badewanne in der Wildnis
Teil 7 - Denver: Ein blauer Bär und ein Glas Zimtbier zum Abschied